Norwegen Blog

Vogelfotografie in Norwegen – Juni 2022

 

Ende Juni ging, mit einer knapp zweiwöchigen Reise, ein grosser Traum in Erfüllung. Seit bereits zwei Jahren hatten zwei gute Freunde und ich eine «hardcore-Fotoreise» in den Norden im Visier. Corona hatte uns die Planung fürs Erste abgenommen, umso mehr freuten wir uns nun, dass dem Vorhaben nichts mehr im Wege stand. Die zwei guten Freunde Merlin Hochreutener und Jakob Hochuli, ebenfalls hervorragende Naturfotografen, hatten einen Grossteil der Reise organisiert. Trotz Unmengen an Fotoausrüstung, einer übertriebenen Anzahl an Outdoorequipment, Zelt und Utensilien zum Schutz gegen die gemeine Stechmücke, entscheiden wir uns, mit dem Zug nach Oslo zu fahren.

1.Reise

Zu dritt ging es also an einem kühlen Montagmorgen mit der ersten Bahn vom Appenzellerland in Richtung Basel. Von dort mühten wir uns, mit unserem überdimensionalen Gepäck, in den Schnellzug nach Hamburg. Das wir im überfüllten ICE einen Grossteil der 8h-Zugfahrt im Stehen oder zerknittert in der Gepäckablage verbrachten, machte unserer Motivation keinen Abbruch. Im Gegenteil. Wir stellten erfreut fest, dass der Start für eine möglichst unangenehme «hardcore-Fotoreise» gelungen war. Da der Nachtzug, bei unserer schlussendlich doch eher kurzfristigen Planung, keinen freien Platz mehr hatte, ging es in diesem Stil weiter. Nach einer kurzen Stärkung ging es von Hamburg in die nächste Bahn nach Flensburg. Von dort ins Dänische Fredericia, wo wir einen 5h-Aufenthalt mit den letzten mentalen und technischen Vorbereitung überbrückten. Um zwei Uhr in der Nacht ging es weiter Richtung Kopenhagen und dann via Göteborg in die norwegische Hauptstadt Oslo. Nach über dreissig zehrenden Stunden erreichten wir unser Elektro-Mietauto und fuhren noch am selben Tag in Richtung des nördlich gelegenen Rondane-Nationalparks. Weil einem bei einer so langen Reisezeit das Eine oder Andere in den Sinn kommt, was man Zuhause liegen gelassen hat,  fuhren wir zuerst nach Lillehammer. Dort brachten wir unsere bereits überfüllten Gepäckstücke mit den letzten Anschaffungen definitiv zum Platzen. Trotzdem konnten wir irgendwie alles im Mietauto verstauen und erreichten den Rondane-Nationalpark noch am selben Abend.

Mitternachtsstimmung im Rondane-Nationalpark

2. Rondane-Nationalpark und kaputtes Objektiv

Völlig baff von der rauen, skandinavischen Landschaft hielten wir am Strassenrand und ich wollte mit dem Teleobjektiv einige erste Landschaftsbilder machen. Doch als ich hindurchschaute, sah ich eine Nebellandschaft. Mein Sony 200-600mm Objektiv war innen drin angelaufen. Ich wusste sofort, was das bedeutet. Im dümmsten Fall kann ich mit dem Objektiv nicht mehr fotografieren. Nach einer kurzen Krisenbesprechung und einigen Telefonaten war klar, dass ich ein neues Objektiv brauche, welches wir am nächsten Tag organisieren müssen. Natürlich ärgerte es mich etwas über den ungünstigen Zeitpunkt, da ich zuvor noch nie ein Problem mit einem meiner Objektive hatte. Doch die atemberaubende Landschaft, welche nun ins goldene Licht der tief stehenden Sonne eingepackt wurde, lies mich diese Sorgen schnell vergessen. Wir parkten unser Auto auf dem erstbesten Feldweg, buckelten unsere Fotorucksäcke mitsamt Zelt und begaben uns zum ersten Mal ins norwegische Fjell. Weit kamen wir nicht, als plötzlich ein Merlin (Achtung Verwirrungsgefahr: Merlin ist ein falkenartiger Greifvogel und gleichzeitig der Name, von einem meiner zwei Freunde), vor uns landete und einen frisch erbeuteten Wiesenpieper verspeiste. Den Rest vom Abend verbrachte ich mit Landschaftsfotografie, wobei uns Norwegen mit einer herzlichen Sonnenuntergangsstimmung begrüsste. Als ich zum Schutz vor den bereits sehr präsenten Mücken mein Einmannzelt aufbaute, wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass ich die nächsten Tage kaum zum Schlafen kommen werde. Es war bereits nach Mitternacht – in drei Stunden würde die Sonne wieder aufgehen. Morgens blieb uns jedoch kaum Zeit um eben diesen Sonnenaufgang zu geniessen, da wir sehr früh die nächsten Kilometer in Angriff nahmen und weiter in den Norden fuhren. Bei einem kurzen Zwischenstopp in Trondheim konnten wir ein neues 200-600mm Objektiv organisieren – nun stand uns gar nichts mehr im Wege.

3. Die ersten Bilder – Doppelschnepfen am Balzplatz

Nach einigen weiteren Kilometern erreichten wir unser Tagesziel. In der Kleinstadt Levanger hatten wir uns mit Terje Kolaas verabredet, einem grandiosen Fotografen aus Norwegen. Ziel für die erste Nacht war die eindrückliche Balz der Doppelschnepfen. Mit Terje fuhren wir ein Stück, wanderten einen Berg hoch und gelangten direkt zum Balzplatz, wo bereits drei Hides auf uns warteten. Grundsätzlich bevorzuge ich es, mir eine Tierart „selbst zu erarbeiten“. Bei den Doppelschnepfen wäre dies aber mit unserer begrenzten Zeit unmöglich gewesen. Also nahmen wir das Angebot und Terje nur zu gerne an. Dazu kam, dass wir somit direkt für den Anfang unserer Reise ein Highlight hatten, welches uns hoffentlich genügend Motivation für den Rest geben sollte… Doch das erste Highlight erwartete uns bereits viel früher. Noch auf dem Parkplatz entdeckten wir zwei Sperbereulen, welche weit entfernt auf Tannenspitzen von Rabenkrähen gehasst wurden. Was für ein unglaublich schöner Vogel – wir konnten unser Glück kaum fassen, diese Traumart bereits am ersten Tag entdeckt zu haben.

Wir entschieden uns jedoch am Folgetag die Sperbereulen nochmals aufzusuchen, vorerst aber die Doppelschnepfen nicht weiter warten zu lassen. Es wurde eine sehr regnerische Nacht. Obwohl die Schnepfen nach bereits dreissig Minuten nur wenige Meter vor meinem Hide auftauchten, war ich zu diesem Zeitpunkt bereits halb durchnässt. Bis spät nach Mitternacht war ich noch mit fotografieren beschäftigt, bevor ich mich für einige Stunden in den tropfenden Schlafsack wagte. Am nächsten Morgen, als die Balz am frühen Vormittag beendet war, mussten wir schleunigst zurück zum Auto, um uns aufzuwärmen, trockene Kleider anzuziehen und einen Kaffee zu geniessen. Uns alle drei hatte dieses eindrückliche Schauspiel in den Bann gezogen und so entschieden wir uns spontan, noch eine zweite Nacht in den Hides zu verbringen.

4. Die zweite Nacht bei den Doppelschnepfen

Am frühen Nachmittag packten wir Kamera und Objektiv und wanderten in die Richtung, wo die Sperbereulen am Vortag waren. An einer typisch skandinavischen Waldlichtung angekommen, entscheiden wir uns zu warten. Tatsächlich sass nach nur wenigen Minuten eine adulte Sperbereule auf einer der Fichtenspitzen am Rand der Lichtung. Über längeren Zeitraum konnten wir die Eule beobachten. Dabei blieb sie jedoch immer auf den Spitzen der höchsten Fichten und blieb somit ausserhalb unserer Fotodistanz. Auch wenn wir noch den gesamten Abend mit dieser schönen Eule hätten verbringen können, gingen wir frühabends ein zweites Mal zu den Doppelschnepfen. Diesesmal wurden wir glücklicherweise vom Regen verschont. Einen kurzen Augenblick hatten wir sogar eine schöne Sonnenuntergangsstimmung, welche jedoch kurz darauf von einer dichten Nebelschicht verschluckt wurde. Doch auch der Nebel verlies dem Balzplatz eine magische Stimmung. Denk dem lichtstarken 70-200mm f/2.8 konnte ich auch in diesen schwierigen Lichtverhältnissen noch bis tief in die Nacht spannende Bilder machen. 

5. Der dritte Tag ganz im Zeichen eines heimlichen Jägers – die Sperbereule

Als uns am nächsten Morgen wieder Sonnenstrahlen weckten, lief ich noch etwas weiter den Berg hinauf. Immer wieder konnte ich dabei den charakteristischen Ruf des Moorschneehuhns hören und über meinen Köpfen kreisten regelmässig Goldregenpfeifer, welche vor dem Eindringling warnten. Auf einem kleinen Hochplateau angekommen, konnte ich ein Pärchen Goldregenpfeifer im ersten Morgenlicht beobachten und fotografieren. 

Später bauten wir die Hides zusammen, verliessen den Balzplatz und kehrten zum Auto zurück. Wir entschieden, völlig entgegengesetzt dem ursprünglichen Plan, noch eine dritte Nacht in der Gegend zu bleiben. Diesesmal wollte ich mich voll und ganz der Sperbereule widmen. Wieder wartete ich zusammen mit Merlin in der Umgebung der Waldlichtung. Wie am Vortag brauchten wir nicht lange, bis wir die Sperbereule auf einer Fichtenspitze entdecken konnten. Doch es wurde noch besser. Aus allen Richtungen hörten wir auf einmal die Bettelrufe der juvenilen, bereits flüggen Sperbereulen. Wir verbrachten den gesamten Abend mit den Eulen. Als die Dämmerung hereinbrach, begann eine der adulten Eulen mit der Jagd nach Mäusen. Nun lies sie sich durch unsere Anwesenheit nicht mehr stören und wir konnten sie über einen längeren Zeitraum fotografieren. 

6. Neue Location – Lake-Orkelsjøen

Früh morgens ging es am nächsten Morgen wieder ein Stück in den Süden an den „Lake-Orkelsjøen“ in Opdal. Nach der mehrstündigen Fahrt wurden wir noch auf dem Parkplatz von einem Goldregenpfeifer begrüsst. Das Wetter war nicht berauschend und so entschieden wir uns, mit dem Auto einige Wege entlang des Sees abzufahren. Dabei konnten wir uns einen ersten Eindruck vom Gebiet machen und Prachttaucher, Teminckstrandläufer und Moorschneehuhn entdecken.

7. Schlaflose Nacht und über 10’000 Bilder an einem Tag

Da eine helle Nacht in Aussicht war, entschied ich mich kurzerhand, die Nacht durchzumachen. Ich versuchte mich noch an einem Moorschnehuhn, welches vor dem Sonnenuntergang posierte. Als kurz darauf bereits wieder der Sonnenaufgang nahte, ging ich in Richtung der Goldregenpfeifer, um diese im ersten Morgenlicht zu fotografieren. Der Plan ging perfekt auf. Die Sonne drückte für knapp fünf Minuten durch die Wolken und warf ein weiches rotes Licht auf das Fjell und die Goldregenpfeifer. Danach ging ich zu einem kleinen Nebensee, wo ich am Abend zuvor bereits ein Kranichpaar beobachten konnte. Die Kraniche ließen sich nicht mehr blicken, dafür entdeckte ich nach kurzer Zeit ein Blaukehlchen, welches nur wenige Meter neben mir seinen Gesang vortrug. Den Rest des Vormittags verbrachte ich mit drei Blaukehlchen, welche sich im gleichen Revier aufhielten. Am frühen Vormittag lauerte ich einem Odinshühnchen auf, welches ich am Vormittag immer wieder für kurze Augenblicke auf dem See entdecken konnte. Zur Brutzeit sind diese faszinierenden Limikolen sehr heimlich und halten sich größtenteils versteckt in der Schilfvegetation auf. Nach zehn Minuten des Wartens übernahm mich die Müdigkeit und ich fiel in einen leichten Schlaf. Unbestimmte Zeit danach wurde ich von einem leichten “tschepp” geweckt. Halb im Schlaf realisierte ich, dass das der Ruf des Odinshühnchens ist. Sofort war ich hellwach und entdeckte es nur wenige Meter neben mir auf dem Tümpel. Ich konnte genau zehn Bilder machen, bevor es wieder im dichte Schilf verschwand.

Es blieben meine einzigen Bilder von dieser Art, denn kurz darauf kam Jakob angerast und informierte mich darüber, dass sie am See ein Spornammern-Pärchen entdeckt hätten. Den restlichen Tag verbrachten wir bei dieser Bucket-List-Art. Erstaunlich nah liessen und diese wunderschönen Vögel an sich heran.

 

8. Überraschungen auf Bergplateau und Schlechtwetterfront im Dovrefiell-Nationalpark

Am nächsten Morgen hatte sich die Wetterlage geändert und eine mehrtägige Schlechtwetterfront stand uns bevor. Nach einem letzten kurzen Besuch bei Spornammer und Blaukehlchen, beendeten wir unseren Aufenthalt am Lake Orkelsjøen und gingen in Richtung des nahegelegenen Dovrefjell. Am Nachmittag machten wir einen Zwischenstopp und wanderten mehrer hundert Höhemeter auf ein Bergplateau. Dort oben angekommen erwarteten uns, in einer der Schweiz sehr ähnelnden Berglandschaft, verschiedenste Vogelarten. Mornell-, Goldregenpfeifer, Alpenstrandläufer, Spornammer, Kranich und Falkenraubmöwe brüteten in dieser kargen Umgebung. Auch ein Rentier mit seinem Jungtier konnten wir auf grosse Distanz entdecken. Wir verweilten den ganzen Tag an diesem magischen Ort und konnten uns gar nicht entscheiden, auf welche Art wir uns fokussieren möchten. Erst als uns am Nachmittag die Schlechtwetterfront einholte, mussten wir das Bergplateu schleunigst verlassen. Im strömenden Regen fuhren wir zum Dovrefjell-Nationalpark. Dort war das Wetter nicht besser und so entschieden wir uns, eine Nacht in einer Unterkunft zu verbringen. So entkamen wir dem Regen für einige Stunden und konnten Kamera- und unsere eigenen Akkus laden. Am nächsten Vormittag machten wir uns auf die Suche nach den berüchtigten Moschusochsen – dem Wahrzeichen des Dovrefjell-Nationalparks. Die Landschaft war grösstenteils hinter einer Nebelschicht verborgen und der Regen schüttete aus Kübeln. Trotzdem wanderten wir gut zwei Stunden und fanden drei Ochsen oberhalb der Waldgrenze. Fotografisch war leider nicht viel machbar. Trotzdem war es ein schönes Erlebnis, diese altertümlichen Tiere in ihrem Lebensraum zu beobachten. Ich werde bestimmt früher oder später in die Gegend zurückkehren, hoffentlich dann mit mehr Zeit, um mich diesen Tieren zu widmen. 

9. Ankunft auf der Vogelinsel Runde

Wegen des Wetters blieben wir nicht länger im norwegischen Inland und fuhren noch am selben Tag die ganze Strecke an die Westküste. Letztes Ziel unserer Reise sollte dort die Vogelinsel Runde sein. Wir kamen erst kurz vor Sonnenuntergang an. Während Merlin und Jakob einige Stunden Schlaf genossen, entschied ich mich, in der Nacht die Insel zu erkunden. Im letzten Sonnenlicht konnte ich gerade noch Flussuferläufer und Austernfischer fotografieren. Danach wanderte ich ins Hochland der Insel. Die Kombination aus Arten war sehr spannend. Während neben mir ununterbrochen eine Wachtel sang, konnte ich die Basstölpel bei ihrem nächtlichen Betrieb beobachten. In den Morgenstunden flogen die ersten Skuas an mir vorbei, während eine Rindgrossel ihre Jungen fütterte.  Nur die Hauptaktraktion, die Papageientaucher, hatte die Nacht auf dem Meer verbracht und waren nicht zu entdecken. Völlig erschöpft kam ich morgens nach der Nachtwanderung zurück zum Auto und konnte nun mein Schlafdefizit immerhin teilweise aufholen.

10. Papageientaucher, Skua und Co. auf Runde

Tagsüber war das Licht zu grell um gross Fotografische Erfolge abzulichten, trotzdem konnten wir vom Parkplatz aus Berghänfling und Strandpieper sehen. Am Nachmittag ging es wiederum ins Hochlanden. Den letzten Abend unserer Reise wollte ich voll und ganz den charismatischen Papageientauchern widmen. Schnell stellte ich fest, dass ich nicht mehr ganz so alleine vor Ort war, wie noch mitten in der Nacht zuvor. Ich reite mich zwischen Touristen und Fotografen und verfolgte gespannt, wie die ersten Papageientauchet mit ihrem behäbigen Flug versuchten, ihre Bruthöhlen zu treffen. Meist erreichten sie dies nicht auf den ersten Anlauf, da sie zu tief angeflogen kamen und drohten, mit der Felswand zu kollidieren. Dann mussten sie im letzten Moment abdrehen und eine weitere Runde drehen, in der sie versuchten an Höhe zu gewinnen. Je länger der Abend wurde, desto aktiver wurden die Papageientaucher und ein emsiges Geschehen erfüllte die Luft. 

Ab und an entstand grosse Aufruhr, sobald ein Seeadler weit unten seine Kreise zog. Eine Skua, welche es auf die kleinen Papageientaucher abgesehen hatte, entpuppte sich jedoch als noch größere Gefahr. Doch auch sie blieb an diesem Abend erfolglos. Ich nicht. Mit zwanzig Bildern pro Sekunde fotografierte ich was das Zeug hält und hatte schnell die erste 128 GB Speicherkarte gefüllt. Anfangs versuchte ich hauptsächlich, den torkelnden Anflug dieser kleinen Pinguinen zu fotografieren. Als sie später am Abend überall verteilt auf dem Felsen saßen, gelangen mir die üblichen Portraits, sowie Weitwinkel-Aufnahme. Ich blieb bis nach Mitternacht und verlass die Papageientaucher als letzter Fotograf. Sie hatten mich an nur einem Abend in den Bann gezogen und ich hätte am liebsten noch eine Woche vor Ort verbracht.