Ans andere Ende der Welt Teil 1 – Patagonien
Wie es dazu kam – Ich hatte bereits einiges von Patagonien gehört, mir jedoch nicht erträumt, in den nächsten Jahren mit einer Reise in diese Gegend konfrontiert zu sein. Doch genau das geschah Ende August, als ich von einem befreundeten Fotografen die Einladung bekam, ihn auf einer Fotoexpedition im November zu begleiten. Die Reise sollte aus einer Woche in Patagonien und zwei Wochen auf den Falklandinseln bestehen. Aus Erzählungen und Erfahrungen von seinen vergangenen Falklandreisen, wurde mir schnell bewusst, dass dies eine einmalige Chance ist, welche ich nicht verpassen darf. Die kommenden zwei Monate gestalteten sich alles andere als einfach. Die geplanten und spontanen Reisedaten fielen auf mehrere wichtige Termine – sprich auf alles andere als die vorgesehenen Ferien meiner Ausbildung. Es benötigte somit vielseitige Gesuche bei Arbeitgeber, Berufsschule und zuletzt gar beim Kanton St. Gallen, da ich in meiner Abwesenheit mehrere überbetriebliche Kurse verpasste. Irgendwie konnte ich allen verpassten Stoff vorholen und hatte somit schlussendlich die Bewilligung von allen benötigten Seiten (inkl. diejenige meiner Eltern:).
Dem Abenteuer stand somit nichts mehr im Wege.
Anreise & Ankunft in Punta Arenas – So begann meine Reise am 27. Oktober 2022 in Genf, von wo ich via Madrid und Santiago nach Punta Arenas, an den südlichsten Zipfel Südamerikas flog. Ich würde behaupten, anfangs schlug ich mich ganz gut in der weiten Welt… Bis ich am Flughafen Santiago ankam – egal, ich überlebte und erreichte, nach einem nicht weiter erwähnenswerten Zwischenfall und etwas weniger Pesos (chilenische Währung), wie geplant am 29. Oktober Punta Arenas. Dort wurde ich bereits erwartet und vom Flughafen abgeholt. Die ersten zwei Nächte verbrachten wir in Punta Arenas, von wo wir die Patagonische Umgebung kennenlernten und ich mich erstmal akklimatisieren konnte. Als passionierter Birder war es verrückt, plötzlich Vogelarten zu sehen, von deren Existenz ich davor nicht einmal wusste. Dies war auch der fehlenden Zeit für bessere Vorbereitungen geschuldet, aber nicht weiter tragisch, da ich die Arten direkt im Feld kennenlernen konnte. In der Patagonischen Steppenlandschaft und kleinen Seen rund um Punta Arenas erwarteten uns unter anderem Nandus, Chileflamingos und der majestätische Andenkondor. Daneben konnten wir auch die ersten Guanakos, die Ursprungsform des Lamas beobachten.
Torres del Paine Nationalpark – Die Guanakos waren auch im Fokus bei unserer nächsten Location. Dieses Mal jedoch vielmehr weil im Beuteschema unseres fotografischen Hauptziels, dem Puma. Knapp sieben Stunden fuhren wir in den nördlich gelegenen Nationalpark Torres del Paine. Dort verbrachten wir fünf Nächte am Lake Pehoe mit Sicht auf die berühmten Torres del Paine Berge (übers. Türme des blauen Himmels). In dieser atemberaubenden Gegend machten wir uns auf die Suche nach den “Mountain Lions”. Obwohl es einiges braucht, dass mich Berge nachhaltig beeindrucken, hatte es mir diese karge Berglandschaft sofort angetan. Die zusätzliche Anspannung durch die Möglichkeit, nach jeder Kurve einen wilden Puma zu entdecken, gab der bereits in sich wunderschönen Landschaft einen einzigartigen Reiz. Trotz der einmalig hohen Dichte an wilden Pumas, sowie deren hoher Toleranz gegenüber Menschen, da Pumas im Torres del Paine Nationalpark nicht bejagt werden, braucht es einiges an Glück, um diese perfekt angepassten und getarnten Tiere zu entdecken. Um eine möglichst grosse Fläche abzudecken, fuhren wir grösstenteils mit unserem Mietauto entlang kleinen Kiesstrassen. Bei den regelmässigen Stopps suchten wir mit Ferngläsern die Landschaft nach Wildtieren ab. Schnell wurde bewusst, weshalb die Pumadichte in dieser Gegend hoch ist. Überall tummelten sich aufmerksame Guanakos entlang der Hügelketten – die bevorzugte Beute der wilden Katzen. In der Regel waren wir Abends bis nach Sonnenuntergang unterwegs, standen früh vor Sonnenaufgang auf und holten am späten Vormittag und frühen Nachmittag unseren verpassten Schlaf nach. Dadurch waren wir im besten Morgen- und Abendlicht unterwegs und konnten in der prallen Nachmittagssonne entspannen. Nebst dem besseren Licht, sind auch die Pumas morgens und abends am aktivsten. In den ersten beiden Tagen waren wir glücklos was Pumas angeht. Das war aber alles andere als tragisch, da ich bereits mit unterschiedlichsten Vogelarten, wunderschönen Lichtsituationen und mit dem Verarbeiten der Erlebnisse alle Hände voll zu tun hatte.
Der erste Puma – Als ich mit dem Feldstecher am Abend des dritten Tages, während einem der unzähligen Stopps die ockerfarbene Landschaft absuchte, geschah es. Ich blickte direkt in die Augen eines Pumas. Dieser musste uns bereits seit langem entdeckt und beobachtet haben. Adrenalindurchströmt rannte ich zurück zum Auto, packte meine Kamera und bald hatte ich die ersten Pumafotos. Während dem Fotografieren bemerkte ich eine Bewegung, rund zwanzig Meter neben dem Puma. Es waren zwei weitere Pumas… Eine Mutter mit ihren zwei Jungtieren! Auch wenn die Familie ziemlich schläfrig die letzten Sonnenstrahlen des Tages genoss, war es ein unvergesslicher Moment. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich jedoch noch nicht, dass dies erst der Anfang unserer Glückssträhne war.
Das Glück auf unserer Seite – Am vierten Tag waren wir wiederum früh unterwegs und wurden mit der ersten Beobachtung eines Stinktiers belohnt. Am frühen Vormittag machten wir uns, bei bedecktem Himmel, auf die Suche nach der wunderschönen Sturzbachente. Wenig erfolgreich gaben wir diese nach mehreren Stunden auf.
Als wir uns auf den Rückweg machten, war es bereits später Nachmittag. Von einem Local hatten wir mitbekommen, dass sich auf dem Rückweg nicht unweit der Strasse eine Pumamutter mit zwei Jungtieren aufhält. Diesesmal konnten wir die Pumas kaum übersehen. Neben einem halben Dutzend Autos am Strassenrand hatten sich bereits mehrere Fotografen positioniert und beobachteten, wie sich herausstellte, sechs Pumas (zwei Mütter mit je zwei Jungtieren). Wir gesellten uns dazu und hofften auf etwas mehr Action als am Vorabend. Wir erfuhren von einem anderen Fotografen, dass die grosse Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Pumas die Strasse überqueren würden, um am Abend in einem höher gelegenen Gebiet zu übernachten.
Tatsächlich schien nach etwa zwei Stunden des Wartens, so etwas wie Bewegung in den schläfrigen Katzen zu entstehen. Nach einigen müden Gähnern stand ein Puma auf, streckte sich und lief langsam in geduckter Haltung eine leichte Steigung hinunter. Er tat dies direkt in Richtung der Strasse, von wo wir gespannt die nächsten Schritte des Pumas beobachteten. Was dann geschah, waren Minuten der totalen Anspannung, Freude und des Erstaunens über das soeben erlebte. Die Pumas liefen einer nach dem anderen über die Strasse und gingen gemächlich auf der anderen Seite den Hang hinauf. Einer davon überquerte die Strasse in gerade mal gut zehn Metern und liess uns alle für einen Moment den Atem anhalten. Ein wunderschönes Erlebnis.
Der letzte Tag – Am letzten Tag im Torres del Paine Nationalpark waren wir wiederum früh morgens unterwegs, um unser Glück mit den Pumas noch ein letztes Mal herauszufordern. Tatsächlich entdeckte ich durch mein Fernglas einen Puma in etwa zwei Kilometern Entfernung. Natürlich war die Distanz unmöglich um zu fotografieren, dafür war die Beobachtung umso spannender. Nur einige Dutzend Meter vor dem Puma waren zwei Guanakos gemütlich am Grasen. Angespannt beobachteten wir, wie der Puma seine Beute ins Visier nahm und sich geschickt an die zwei nichtsahnenden Tiere heranschlich. Doch trotz seiner Schleichkünste wurde er früh genug entdeckt und die Guanakos flüchteten in weiten Sprüngen. Nach dieser Beobachtung entschieden wir uns, frühzeitig zu unserer Unterkunft zurückzufahren, von wo wir auf direktem Weg zurück nach Punta Arenas fahren wollten. Dort mussten wir vor Ladenschluss ankommen, um die letzten Einkäufe vor dem Flug auf die Falklandinseln zu tätigen. Zurück bei der Unterkunft mussten wir jedoch erstmal wieder unser gesamtes Equipment geordnet in unsere Gepäckstücke bringen. Wieder einmal wurde mir bewusst, dass man während einer Reise immer weniger Platz hat als noch am Anfang… trotzdem fand alles seinen Platz im Auto und wir konnten unseren siebenstündigen Rückweg nach Punta Arenas antreten. Selbst während der Fahrt hatte ich zwei Kameras griffbereit bei mir auf dem Vordersitz. Für den Fall, dass irgendwo am Strassenrand etwas auftauchen sollte. Diese Entscheidung lohnte sich! Nach etwa zwanzig Minuten, wir hatten es gerade knapp Nationalpark verlassen, entdeckte ich eine Silhouette am Strassenrand. Nach einem kurzen Blick durch den Feldstecher war klar, das Pumaglück wollte uns noch nicht verlassen. Wir parkten am Strassenrand und beobachteten ein Pumaweibchen, welches sich gelegentlich streckte und gähnte. Nach einer Weile stand sie auf und rief, worauf hinter der Kuppe zwei Jungtiere zum Vorschein kamen. Seelenruhig schlenderten sie zu ihrer Mutter und schmusten zur Begrüssung. Im letzten Moment konnte ich mich noch so positionieren, dass ich ein Bergmassiv in den Hintergrund der Szenerie positionieren konnte. Nach weiteren Minuten, welche sich wie eine Ewigkeit anfühlten, schlenderten die drei Katzen gemütlich unter einen Felsvorsprung, wo sie sich legten und sich gegenseitig das Fell pflegten. Was für ein Abschluss von Patagonien!
Rückfahrt nach Punta Arenas – Nach dem langen und unverhofften Zwischenstop, mussten wir haltlos bis Punta Arenas durchfahren, um rechtzeitig vor Ladenschluss anzukommen. Dort liessen wir den ersten Teil unserer Reise mit einem südamerikanischen Abendessen ausklingen. Die Vorfreude auf den kommenden Tag und den damit verbundenen Flug auf die Falklandinseln lag in der Luft.